Mini-Drohne DJI / Ryze Tello im Testbericht

Bei Drohnen für unter 100 € schalten die meisten erfahrenen Drohnenpiloten sofort ab: Multicopter aus der Kategorie fliegen meist nur wenige Minuten, haben keine GPS Stabilisierung und – wenn überhaupt eine vorhanden ist –  eine richtig miese Kamera: Kurz: Es handelt sich dabei bisher um Spielzeugdrohnen, die zum Fliegen lernen oder einfach Spass haben super geeignet sind. Mit dem Funktionsumfang und der Bildqualität eines Multicopters vom Marktführer DJI oder von Yuneec und GoPro können die Modelle aber nicht mithalten.

Das neue Model Tello vom chinesischen Start-up Ryze Technology könnte diese Einschätzung möglicherweise auf den Kopf stellen: Die kleine Drohne soll bis zu 13 min fliegen können, kommt mit einer 5 MP Kamera und beinhaltet jede Menge Technik, verschiedene automatisierte Flugmodi und Hindernisserkennung wie die viel teureren Modelle von DJI. Das ist auch kein Zufall, denn die Drohne wurde in Zusammenarbeit mit DJI und Intel entwickelt. Insgesamt also eine sehr spannende Kombination aus sehr kompakter Drohne und aktueller Technik, bei der ich es kaum erwarten konnte, sie selber zu testen!

DJI Spark (links) und Ryze Tello (rechts)

Unboxing

Tello Grössenvergleich

Das Modell Tello sieht auf den ersten Blick aus wie ein stark geschrumpfter DJI Spark. Mit einem Gewicht von nur 80 Gramm ist Tello aber eine richtige Mini-Drohne und unterscheidet sich letztendlich deutlich vom viel grösseren Spark. An dem sehr kleinen Körper sitzen die nicht einklappbaren Ausleger mit direkt angetriebenen Bürstenmotoren und verhältnismäßig grossen Propellern. Spoiler: Durch diesen Antrieb ist Tello schneller und reaktiver in der Steuerung als andere Mini-Drohnen. Den Akku aufzuladen dauerte ungefähr eine Stunde – wenn er voll geladen ist, geht das blaue Blinken in ein dauerhaftes blaues Leuchten über.

Das Flugverhalten

Bevor es los geht, muss die zugehörige Android oder iOS App von Ryze für den Tello heruntergeladen werden und eine Verbindung zur Drohne hergestellt werden. Über den Touchscreen können die Flugmodi ausgewählt und die Drohne gesteuert werden. Das Kamerabild von Tello wird in Echtzeit auf den Smartphone-Bildschirm übertragen, die Verbindung ist relativ stabil. Die Fotos und Videos werden direkt auf dem Smartphone gespeichert. Eine eigene Speicherkarte besitzt Tello nicht.

Screenshot der Tello App

Tello macht es auch ungeübten Piloten leicht: Zum Abheben kann man die Drohne einfach in die Luft werfen oder sie automatisch starten lassen.  Es gibt zahlreiche vorprogrammierte, automatisierte Flugmodi, mit denen sich Einsteiger ausprobieren können und einfach ein paar originelle Selfies aufnehmen können. Tello kann sogar auf Knopfdruck ein paar kleine Trick wie einen Salto vorführen – das können nicht mal die teureren DJI Modelle und ist sicher ein Highlight für Kinder. Die Drohne hat zwar keine GPS-Stabilisierung, aber Kamerasensoren, mit der Hindernisse erkannt und Kollisionen verhindert werden. Es gibt sogar Sensoren nach unten, mit denen der Tello auf der Hand starten und landen kann.

Die kleine Drohne wird über den Touchscreen des Smartphones gesteuert und reagiert sehr agil auf die Eingaben. Die knapp 29 km/h maximale Fluggeschwindigkeit sind nicht so rasant wie ein DJI Phantom oder Mavic, aber es macht auf jeden Fall Spaß und ist auch für Kinder noch zu beherrschen. All zu weit weg fliegen kann und sollte man nicht: Zum einem ist nach etwa 100 m Schluss mit der Funkverbindung, zum anderen ist der winzige Tello in einer solchen Entfernung auch kaum noch erkennbar. Tello verwendet die unteren Sensoren auch, um sich zu orientieren. Bis zu einer Flughöhe von gut 5 m funktioniert das sehr gut, darüber meldet die App öfter mal, dass die Positionierung nicht mehr zuverlässig ist. Die maximale Flughöhe ist auf 10 Meter begrenzt. Hier macht sich das fehlende GPS bemerkbar, wirklich störend ist das für den Einsatzbereich einer Mini-Drohne aber nicht.

Tello im Schwebeflug

Die Bildqualität

Als erste Drohne in dieser Preisklasse kommt Tello mit einer 5 MP Kamera und kann Videos mit 720p und 30 Bildern pro Sekunde aufnehmen. Zum Vergleich: Die meisten Spielzeugdrohnen haben maximal eine Auflösung von 0.2 bis 2 MP und können üblicherweise die Erwartungen zur Bildqualität für die angegebene Auflösung nicht erfüllen. Die meisten Aufnahmen leiden unter einem schlechten Fokus, Bildverzerrungen und Vignette (dunkle Ecken). Die Aufnahmen von Tello können natürlich nicht mit denen eines Phantom 4 Pro mithalten, sind aber auf sehr brauchbaren Niveau, zumindest solange die Lichtverhältnisse ausreichend gut sind und wenig Wind vorhanden ist. Ein Gimbal zum Ausgleich von Vibrationen und Flugbewegungen hat die Drohne nicht, dafür aber zumindest eine digitale Bildstabilisierung. Der Pilot hat die Auswahl zwischen “EZ Shots”-Funktionen, darunter Circle, 360 und Up & Away, mit denen auf Knopfdruck abwechslungsreiche Videos aufgenommen werden können.

Die Fotos sind meiner persönlichen Meinung nach ganz ordentlich für die Betrachtung am Bildschirm, ein Poster würde ich davon nicht drucken wollen. Für Selfies und Schnappschüsse ist die Qualität gut genug. Von den Videos hätte ich ehrlich gesagt etwas mehr erwartet. Die Bildqualität ist nicht so schlecht, aber das fehlende Gimbal macht sich doch bemerkbar: das Bild bewegt sich doch ziemlich, was zu verwischten Bildbereichen führt. Ein weiterer Nachteil entsteht durch den fehlenden microSD-Karten Slot: Bei schlechter WLAN-Verbindung ruckelt das Livebild und damit auch die Videoaufnahmen. Könnte Tello direkt auf eine Speicherkarte speichern, gäbe es zumindest diese Ruckler durch Übertragungsfehler in den Videoaufnahmen nicht. Ich empfehle, für Videoaufnahmen machst langsam zu fliegen und auf windstille Momente zu warten, dann sieht es ganz gut aus.

Natürlich muss die Bildqualität in Relation des Preises gesehen werden: An die Aufnahmen eines DJI Mavic Pro oder eines Yuneec Typhoon H kommen sich ganz klar nicht heran. Auch der DJI Spark macht bessere Aufnahmen. Aber verglichen mit den aktuellen Modellen um die 100€ hat Tello eine deutlich bessere Bildqualität zu bieten und ist für Schnappschüsse gut zu gebrauchen.

Bildqualität der Tello Kamera

First-Person-View und eigene Programmierung 

Die Drohne ist kompatibel mit Virtual-Reality-Brillen wie beispielsweise Google Cardboard, mit der man eine First-Person-View (FPV) einnehmen kann, so dass es sich fast so anfühlt, als sei man selber in der Luft.

Der Tello ist auch für Bildungszwecke konzipiert worden. Er kann mit Scratch programmiert werden, einer vom MIT entwickelten Programmiersprache, das Kindern und Jugendlichen die Grundlagen der Programmierung beibringt. Fortgeschrittene Anwender können mit dem Tello SDK auch Softwareanwendungen für Tello entwickeln. Wer es mal ausprobieren möchte, kann zum Beispiel mit der iOS App DroneBlocks eigene Flugszenen programmieren und den Tello fliegen lassen.

Zubehör

Für den Preis von 109 € erhält man den Tello mit einem Akku, zwei Sätzen Propellern und den Propellerschutz. Wer ein bisschen länger als die 13 min fliegen möchte, kann in einem Ersatzakku für 22 € investieren. 

Man kann Tello sogar mit einem optionalen Controller ergänzen und ihn mit kleinen Joysticks anstelle des Touchscreens zu steuern. Es gibt dabei verschiedenen Modelle sowohl für Android als auch für iOS.

Und natürlich gibt es bereits zahlreiche Anbieter für Tragetaschen und Cases, um den Tello im Rucksack zu transportieren.

Fazit:

Tello mischt den Markt der Mini- und Spielzeugdrohnen ordentlich auf. Bei keinem anderen Model um die 100 € bekommt man eine so gute Kamera und aktuelle Technik wie Hindernisserkennung, Optical Flow und sogar Tricks wie ein Salto auf Knopfdruck. Für einen preiswerten Einsteig in das Drohnen-Fliegen ist der Tello perfekt geeignet. Die negativen Punkte wie der fehlende Speicherkartenslots und die begrenzte Reichweite der Funkverbindung und Flugstabilisierung gehen angesichts des Preises problemlos in Ordnung.

Der nächste Wettbewerber zu Tello ist die Minidrohne Parrot Mambo, die allerdings nur eine 0.3 MP Kamera bietet. Weitere Alternativen zu Tello sind der DJI Spark mit einer 10 MP Kamera und die Yuneec Breeze, die aber beide erheblich mehr kosten.

Die wichtigsten technischen Eigenschaften nochmal zusammengefasst:

  • Gewicht: 80 Gramm (mit Propeller und Akku)
  • Größe: 98 mm x 92.5mm x 41 mm
  • Höchstgeschwindigkeit: 28.8 km/h (fast mode) und 12.9 km/h (slow mode)
  • Maximale Flugdauer: 13 Minuten
  • Maximale Distanz zum Piloten: 100 Meter
  • Maximale Flughöhe: 10 m
  • Kameraauflösung: 5 Megapixel (2592×1936)
  • FOV: 82,6°
  • Video: Video und Live View mit 720p und 30 Bildern/s
  • Formate: MP4 (Videos) und JPG (Bilder)

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